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Die Bulldogge – eine dem Untergang geweihte Rasse?

Die Bulldogge – eine dem Untergang geweihte Rasse?

Bullenbeißen oder auch im Englischen „Bullbaiting“ brachte eine Hunderasse zustanden, die nun mehr ihren Zweck nicht länger erfüllen kann. Zum Glück für die Bullen, die unter brachialen Kämpfen zu Tode gequält wurden. Zum Leidwesen der Bulldogge, eben jener Hunderasse, deren Zucht auf dem Bullenbeißen basiert. Heute kämpfen sich die Hunde nur noch durch FCI-Standards und Zucht-Richtlinien, gelten selbst als Qualzucht und sind mit einem fragwürdigen Image behaftet. In einigen Regionen stehen sie auf den Rasselisten gefährlicher Hunde. Andernorts werden sie fortan als verniedlichte Bulldoggen-Varianten verunglimpft und haben nur noch wenig mit der einst englischen Urform gemein. Ist die Bulldogge also eine dem Untergang geweihte Rasse oder gibt es noch Zukunftsperspektiven für diese im Grunde genommen friedlichen und loyalen Wesen?

Die Englische Bulldogge – ein mittelgroßer Molosser mit Biss

Wer sich in der Nüstern eines ausgewachsenen, um sein Leben kämpfenden Bullen verbeißen möchte, um diesen zu Boden zu ziehen, der muss schon Einiges an Kraft und Mumm mitbringen. Aber auch ein paar äußerliche Attribute sind dazu nötig. Und so züchteten die Engländer eine Hunderasse zusammen, mit gedrungener, kräftiger Statue, einem faltigen Gesicht, kurzer Nase, Unterbiss und Rosenohren.

Das Ergebnis ist ein doch recht eigenartig aussehender Hund: Die Englische Bulldogge. Sie zählt zu den mittelgroßen Molossern, wobei auch kleine Unterarten derzeit gezüchtet werden. Der Körperbau hat einen festen Schwerpunkt, die meiste Kraft entfaltet sich jedoch im Kiefer- und Nackenbereich. Die gesamte Anatomie ist darauf getrimmt, mit ruckartigen Bewegungen des Kopfes immense Kräfte wirken zu lassen. Im Kopf sieht es ähnlich störrisch und anhänglich aus.

Die brutale Geschichte der Kampf-Bulldogge

Beim Bullenbeißen hatte es die im Verhältnis gesehen kleine Bulldogge mit einem zentnerschweren Bullen zu tun, der für Gewöhnlich nicht nur größer war, sondern obendrein auch noch Hörner hatte, die für Angreifer äußerst gefährlich werden konnten.

Daher wurde bei der Zucht der Hunderasse explizit auf äußerliche Merkmale geachtet, die ihr in einem solchen Duell spezielle Vorteile verschafften:

  • Kurze Nasen und vorgeschobene, breite Unterkiefer erlaubten den Bulldoggen zu zubeißen, und vor allem sich lange zu verbeißen, ohne selbst unter Atemnot zu leiden. Dies galt für den Moment. Außerhalb des Kampfes fordert diese als Brachycephalie bekannte Erbkrankheit einen hohen Tribut – nämlich langfristige Atembeschwerden und Folgeschäden. Allerdings wurden die einst gezüchteten Bulldoggen nicht alt genug, um daraus ernst zunehmende Bedenken zu schöpfen.
  • Rosenohren und kupierte Ruten sorgen für möglichst wenig Angriffsfläche beim Kampf.
    Gesichts- und Nackenfalten schützen empfindliche Bereiche und insbesondere die Front, mit der die Bulldogge angreift.

  • Der gedrungene Körperbau besteht fast nur aus Muskelmasse, ist standfest ausbalanciert, hat einen breiten Brustkorb und ist mit rund 25 kg auf ca. 35 cm Schulterhöhe deutlich schwerer im Vergleich zu anderen Hunderassen.
  • Weiterhin eignet sich das kurze Fell deutlich besser für die Anstrengungen einer Auseinandersetzung.

Kurzum, diese Bullenbeißer sind durch und durch für den direkten Kampf gezüchtet wurden. Den Höhepunkt ihrer Karriere hatten sie im 17. Jahrhundert, später auch als Kampfhunde im Ringen mit anderen Hunden und Tieren. Es wird erzählt, einige der Bulldoggen hätten sogar mit gebrochenen Läufen weitergekämpft, sogar mit von den Hörnern aufgeschlitzten Bäuchen. Jene, die aufgaben, wurden getötet beziehungsweise verstoßen.

Doch was sagt uns dies über das Wesen der Bulldogge?

Loyale Hunde: Einst ausgenutzt, heute im Schoße der Familie

Auch heute noch gelten Bulldoggen als störrisch, quasi als die Esel unter den Hunden. Gleichsam halten sie mit beachtlicher Ausdauer an einer Sache fest, die sie sich in den Kopf gesetzt haben. In den meisten Fällen spiegelt sich dies in der bedingungslosen Loyalität gegenüber ihren Haltern wider, wenn auch nicht in parallel bedingungslosem Gehorsam.

Laut FCI-Rassestandard ist die Englische Bulldogge „Aufmerksam, kühn, loyal, zuverlässig, mutig, grimmig im Aussehen, aber liebenswürdig im Wesen.“ Tatsächlich haben diese Molosser ihren eigenen Kopf und wissen sehr genau, wie weit sie gehen dürfen – wenn sie denn wollen.

Die Aggressivität und Kaltschnäuzigkeit zum Bullenbeißen wurde explizit antrainiert, sie liegt dem Wesen der Bulldogge nicht generell zu Grunde. Wie im Übrigen keinem vermeintlichen Kampfhund. Doch die Schäden am Ruf der Bulldogge scheinen für manche Menschen irreparabel. Die Amerikanische Bulldogge beispielsweise steht in zahlreichen Regionen auf dem Index. Englische und Französische Bulldoggen hingegen gelten nicht als Listenhunde.

In der Öffentlichkeit wird die Englische Bulldogge sogar als schwerfällig wahrgenommen, wenn nicht gar als faul. In der Tat will so ein Kraftpaket auch erst einmal bewegt werden, hinzu kommt bereits erwähnte Kurzatmigkeit und weitere Symptome der Brachycephalie. Während andere Hunde vielleicht fröhlich am Strand schwimmen, parkt sich die Bulldogge lieber im Schatten. Schwimmen ist ohnehin nicht so der Lieblingssport der Englischen Bulldogge. Die Proportionen schränken die Beweglichkeit zu stark ein.

Wenn sich also der „English Bulldog“ in Bewegung setzt, dann nur aus freien Stücken oder aus Hingabe zum Halter. Ein Wesen, das einst ausgenutzt wurde, könnte damit als genügsamer, friedlicher Familienhund sein Comeback feiern. Einer, der es auch mal erträgt, wenn die Kinder zu doll toben, ohne sich davon aus der Ruhe bringen zu lassen, der aber insgeheim aufpasst und anhänglich ist, wie man es sich von einem Hund nur wünschen kann. Fest steht, dass der Umgang mit der Bulldogge heutzutage ein anderer sein muss, als zu Zeiten des Ursprungs dieser Rasse.

Die Neue Bulldogge: Spaßmacher, Schmusetiger, Sofa-Buddy

Die derart gegensätzlichen Ansätze zwischen verbissenem Kämpfer und fauler Socke machen es Hundeliebhabern nicht unbedingt leicht, die Englische Bulldogge richtig einzuschätzen. Verwechslungsgefahr besteht rein namentlich außerdem mit dem Olde English Bulldog, einem amerikanischen Ableger, der nicht FCI-anerkannt ist. Hinzu kommt, das angefangen bei der Englischen Art über die Amerikanische Bulldogge bis hin zur Französischen Bulldogge markante Unterschiede der einzelnen Rassen bestehen. Daneben werden noch Australian Bulldog, Catahoula Bulldog, Leavitt Bulldog, Renascence Bulldog und Victorian Bulldog gezüchtet, wenngleich mit kaum aussagekräftigem Erfolg.

Letztlich beschränken sich die derzeit meist bekannten Bulldoggen-Arten auf folgende drei:

Die Englische Bulldogge heute

Englische Bulldogge
Foto: AndreiTobosaru – Shutterstock

Sie ziehen ein Gesicht, wie drei Tage Regenwetter, grunzen hin und wieder griesgrämig und wirken auch sonst eher wie ein Tattergreis, denn wie Sportler. Dabei haben Bulldoggen durchaus den Schalk im Nacken und setzen ihren Kopf auf interessante Art und Weise durch.

Den Ruf als Familienhund mussten sich die Englischen Bulldoggen lange Zeit verdienen, heute gelten sie als kinderlieb, geduldig und genügsam. Sie “kleben“ nicht wie andere Hunde an ihren Haltern, sondern wollen auch mal ihre Ruhe haben. Einige wirken, als seien sie etwas schwer von Begriff. Doch wenn eine Bulldogge etwas lernt, dann vergisst sie es so schnell nicht wieder.

Und eben weil sie sich so gut wie nie aus der Ruhe bringen lassen, kann man mit ihnen allerhand Unsinn anstellen. In Sozialen Medien sieht man sie skaten, surfen, auf der Luftmatratze durch den Pool dümpeln – sie können perfekt das Gleichgewicht halten und haben es gar nicht nötig, aufgeregt herum zu zappeln. Auch sagt man den Englischen Bulldoggen nach, dass sie sehr wenig bellen.

All dies macht die Rasse zu einem zuverlässigen Familienhund, selbst für Anfänger, die bereit sind, sich mit der Kuschelmasse anzulegen.

Die Amerikanische Bulldogge heute

Amerikanische Bulldogge
Foto: Savicic – Shutterstock

Basierend auf dem Kraftpaket der Englischen Variante, fanden es einige Amerikaner naheliegend, auch noch Kandidaten wie Boxer, Dogo Argentino und Pointer einzukreuzen. Somit wurde die Rasse sportlicher, robuster und nicht zuletzt schärfer. Hierzulande zählt die Amerikanische Bulldogge vielerorts zu den Listenhunden und wird damit als vermeintlich gefährlich eingestuft.

In den USA werden die Tiere unter anderem zur Jagd auf Wildschweine eingesetzt. Im deutschsprachigen Raum sieht man sie als Schutz- und Wachhunde sowie als Familienhunde, wenn auch in letzterer Funktion eher selten.

Amerikanische Bulldoggen werden wiederum nicht für Anfänger empfohlen. Sie benötigen eine deutlich konsequente Führung, Erfahrung im Umgang mit ihrem Temperament, ihrer Kraft und geistigen Leistungsbereitschaft. Eine unterforderte Bulldogge kann schnell zum Problem werden. Sind die Hunde jedoch artgerecht ausgelastet und gut erzogen, gelten sie ebenfalls als äußerst loyal und mutig. Aber auch als stur und unerschrocken – nicht immer ein Vorteil für die Halter, da sie somit immer wieder die Hierarchie klar stellen müssen.

Die Französische Bulldogge heute

Französische Bulldogge
Foto: SasaStock – Shutterstock

So völlig harmlos im Vergleich zu den kraftvollen Artgenossen ist die Französische Bulldogge. Daher auch ihr Beiname Toy-Bulldog. Die Rasse entspringt ebenfalls der Englischen Bulldogge, wurde jedoch teils recht unkontrolliert gekreuzt. Ähnlichkeiten zum Mops sind beispielsweise unbestreitbar. Typisch sind stehende Ohren, ein breiter Kiefer, häufig mit Unterbiss, vorstehende Augen und Korkenzieher-Ruten.

Kenner werden allein an Hand dieser Merkmale die Qualzucht dabei erkennen. Aber auch wer sich nur ein wenig näher mit der Rasse beschäftigt, stellt fest: Das niedliche Kindchenschema geht auf Kosten der Gesundheit. Insbesondere Kurzatmigkeit ist sehr oft zu beobachten, röchelnde Geräusche beim Atmen bis hin zu lautstarkem Schnarchen. Die Tiere weisen keine hohe Ausdauer auf, sondern sind sogar eher noch anfällig bei hohen Temperaturen. Die kurze Schnauze reicht einfach nicht mehr aus, den Atem zu regulieren.

Das Zuchtmerkmale der hervorstehenden Augen führt, wie beim Mops übrigens auch, zu Entzündungen bis hin zum kompletten Vorfallen der Augen, eine extrem schmerzhafte Folgeerkrankung der Brachycephalie.

Korkenzieher-Ruten sind eine Fehlbildung der Schwanzwirbelsäule, können Lahmheit und Schmerzen beim Laufen mit sich bringen. Parallel entfällt ein Teil der arttypischen Kommunikation des Hundes.

Dafür nehmen leider noch immer viele Menschen gerade diese Merkmale als ansprechend und niedlich wahr, halten sich lieber einen kurzatmigen Schoßhund, der angeblich wenig Auslauf braucht (weil er nach drei Metern zusammenklappt) anstatt die Gesundheit der Bulldogge zurück in den Fokus zu rücken.

Der Untergang der Bulldogge – eine Frage der Gesundheit

All diese Zuchtprobleme sind bei jeder der beschriebenen Bulldoggen-Arten zu beobachten. Bei der Französischen Bulldogge sehr stark ausgeprägt, bei der Amerikanischen größtenteils durch Kreuzungen gelöst. Aber auch die Englische Bulldogge leidet unter argen Gesundheitsbeschwerden.

Genetisch bedingt entwickeln die Tiere markante Symptome:

  • Traumatische Entbindungen, weil die Welpen wegen dem vergleichsweise schmalen Becken des Muttertiers meist nicht durch den Geburtskanal passen und operativ nachgeholfen werden muss
  • Probleme bei der Nahrungsaufnahme, weil der Kiefer zu kurz und zu breit ist, einen Unterbiss aufweist und die Atmung beim Fressen schwer fällt
  • Arthrose, Hüftdysplasie (HD), Verknöcherungen, Bandscheibenvorfälle und Lähmungen auf Grund der Deformationen des Skeletts und der starken Belastungen durch das Verhältnis massiger Körper und kurze Beine
  • Hautentzündungen, wenn die Falten nicht regelmäßig gepflegt werden
  • Allergien und Anfälligkeiten des Immunsystems, resultierend aus beschränktem Erbgut
  • Organ-Defekte, unter anderem Herzerkrankungen, Blasensteine, Schilddrüsenunterfunktionen und diverse Krebserkrankungen
  • Augen- und Zahnerkrankungen als Folge der Brachycephalie
  • Sowie Kurzatmigkeit bis hin zu Atemnot, im Extremfall tödlich endende Erstickungs- und Ohnmachtsanfälle

Nun ließe sich diese Liste noch ergänzen. Letztlich läuft die Zukunft der Bulldogge jedoch darauf hinaus, dass ihre Gesundheit bei der Zucht mehr Beachtung finden muss. Die Hunde können noch so sehr ihr altes Image als Bullenbeißer ablegen und sich als familienfreundlich bewähren, aber die Familie, die Halter und Hundeliebhaber wollen schließlich möglichst lange Freude an und mit einer gesunden, aufmerksamen, kühnen, loyalen, zuverlässigen, mutigen, wenn auch grimmig im Aussehen, aber dennoch liebenswürdigen Bulldogge haben.


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